Potsdam, 10. April 2025 – Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Jugend, Naturschutz, Bildung und Mobilität schlägt Alarm: Die im Brandenburger Haushaltsentwurf vorgesehenen drastischen Kürzungen der Verbändeförderung bedrohen die vielfältige und demokratiestärkende Arbeit in Brandenburg. Anlässlich der ersten Lesung des Landeshaushalts versammelten sich Vertreter*innen der Verbände am Donnerstagmorgen vor dem Landtag, um mit der Aktion „Schön war die Zeit – Wichtig, dass es so bleibt“ auf die drohenden Folgen aufmerksam zu machen.
Im Mittelpunkt stehen symbolisch überreichte, selbst gestaltete Fotoalben – gefüllt mit Eindrücken vergangener Projekte, Bildungsangebote, Mitmachaktionen und Erfolge der Verbandsarbeit. Diese Alben gehen an die Fraktionen, den Umwelt- und Finanzausschuss sowie Vertreter*innen der Presse.
Struktureller Kahlschlag droht
Im Haushaltsentwurf ist vorgesehen, die Mittel der Verbändeförderung von derzeit 920.000 Euro schrittweise auf 600.000 Euro bis 2026 zu kürzen. Für viele Verbände bedeutet das nicht weniger als den Verlust ihrer Arbeitsgrundlage. Besonders betroffen wäre das Haus der Natur in Potsdam, das als Arbeits- und Begegnungsstätte für zahlreiche Organisationen sowie als Ort für Tagungen, Bildungsangebote und den generationenübergreifenden Austausch dient.
„Das Haus der Natur ist ein unverzichtbarer Arbeits- und Begegnungsort. Hier entstehen Netzwerke, Ideen und konkrete Projekte für eine nachhaltige Zukunft“, sagt Axel Kruschat vom BUND Brandenburg.
Heinz-Herwig Mascher von der Grünen Liga Brandenburg ergänzt: „Für die Grüne Liga Brandenburg, deren Ursprünge bis in die oppositionelle Friedens- und Umweltbewegung der DDR zurückreichen, ist Bürger*innen- und Verbändebeteiligung an Planungsprozessen ein Herzstück gelebter Demokratie. Wir sehen das Landesbüro der Naturschutzverbände, in dem fünf Verbände ihre Stellungnahmen in Verwaltungsverfahren koordinieren, als Vorbild für Bürokratievermeidung. Wenn Verfahren beschleunigt und gestrafft werden sollen, kann nicht gleichzeitig an dieser Stelle gekürzt werden.“
Auswirkungen auf Bildung, Teilhabe und Demokratie
Der NABU, mit rund 24.000 Mitgliedern größter Naturschutzverband im Land, warnt vor den konkreten Folgen:
„Der Haushaltsentwurf sieht dramatische Einschnitte vor. Sollte der Landtag die Kürzungen beschließen, wird sich die Verbändelandschaft verändern und Arbeitsplätze und Freiwilligenstellen werden vernichtet. Die Verbände leisten unverzichtbare Arbeit in den Bereichen Jugendförderung, Umweltbildung und zivilgesellschaftliches Engagement. Die Bürgerbeteiligung würde ebenso geschwächt wie die Möglichkeit, sich für die Umwelt und somit für unser aller Lebensgrundlage haupt- und ehrenamtlich einzusetzen„, so Björn Ellner.
Von der Verbändeförderung hängen nicht nur zentrale Fachstrukturen ab – auch eine Vielzahl an Projekten mit großer gesellschaftlicher Relevanz wäre ohne sie kaum denkbar. So organisiert die NAJU Brandenburg jedes Jahr über 30 Veranstaltungen für rund 3.000 junge Menschen. Die ANU Brandenburg bringt sich als Fachverband für außerschulische Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung aktiv in die Umsetzung von Landesstrategien und den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ein und qualifiziert und unterstützt die Multiplikator*innen. Die NaturFreunde Brandenburg leisten Bildungsarbeit, setzen sich für den Klimaschutz ein und stärken die Demokratie – besonders im ländlichen Raum. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald setzt sich mit über 800 Mitgliedern seit 35 Jahren für zukunftsfähige Mischwälder ein – 2024 pflanzte sie über 20.000 Bäume und erreichte mit waldpädagogischen Angeboten hunderte Kinder und Erwachsene. Der DVL Brandenburg koordiniert landesweit Landschaftspflegeverbände, in denen Kommunen, Landwirtschaft und Naturschutz kooperativ zusammenarbeiten. So entstehen tragfähige Lösungen für den Erhalt artenreicher Kulturlandschaften, den Biotopverbund, nachhaltige Landnutzung und regionale Wertschöpfung – mit Projekten, die tief in der Fläche wirken. Die GRÜNE LIGA Brandenburg begleitet Planungen kritisch, schützt Biotope und Alleen und stärkt lokale Initiativen im sozial-ökologischen Wandel. Und der VCD Brandenburg treibt die Verkehrswende voran, etwa mit der kostenlosen Lastenrad-Initiative fLotte Brandenburg, mobilen Reparaturstationen oder Bildungsangeboten für eine klimafreundliche Mobilität.
Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende BUND Brandenburg, warnt: „Die geplanten Kürzungen im Umwelt- und Naturschutzbereich gefährden zentrale Strukturen, die für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen unerlässlich sind. Intakte Ökosysteme stellen sauberes Trinkwasser bereit, sichern unsere Ernährung und liefern Rohstoffe für die Wirtschaft – doch ihr Schutz gelingt nur, wenn dauerhaft tragfähige Strukturen unterstützen und sich einsetzen. Die Brandenburger Natur- und Umwel
tverbände leisten diese Arbeit tagtäglich vor Ort. Werden diese Akteur*innen durch Kürzungen geschwächt, riskieren wir langfristig weit größere Schäden. Anstatt auf kurzfristige Haushaltslogik zu setzen, braucht es mutige Investitionen in zukunftsfähige Strukturen – und dazu gehört die Verbändeförderung ganz klar dazu.“
Zahlreiche dieser Projekte leben vom ehrenamtlichen Engagement. Doch ohne hauptamtliche Strukturen, die koordinieren, begleiten und qualifizieren, drohen diese Angebote wegzubrechen. Damit steht nicht nur Fachlichkeit auf dem Spiel, sondern auch ein zentraler Baustein demokratischer Teilhabe in Brandenburg.
Strukturelle Schwächung der klimapolitischen Zusammenarbeit
Ein funktionierendes Netzwerk klimapolitischer Akteur*innen ist Teil des Brandenburger Klimaplans – ohne die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen fehlt die tragende Struktur für dessen Umsetzung.
Magdalena Eder, Koordination des Klimabündnis Brandenburg: „Ohne den beharrlichen Druck und die fachliche Begleitung der Umweltverbände im informellen Klimabündnis wäre der Brandenburger Klimaplan vermutlich nie verabschiedet worden – oder längst in der Schublade verschwunden. Die geplanten Kürzungen laufen damit den eigenen politischen Zielen der Landesregierung zuwider.“
Breites Bündnis fordert Umdenken
Die unterzeichnenden Verbände appellieren an die Abgeordneten des Brandenburger Landtags, die geplanten Kürzungen zu überdenken und die Verbändeförderung dauerhaft auf einem tragfähigen Niveau zu sichern.
Forderungen zur Haushaltsaufstellung 2025/26 um Zivilgesellschaft und Umweltverbände zu stärken und Arbeit der Umweltverbände absichern:
- Kürzungen bei der Verbändeförderung vollständig zurücknehmen. Im Haushalt 2025 ist eine Kürzung der Verbändeförderung um 220.000 € vorgesehen, 2026 weitere 100.000 € – trotz wachsender Aufgaben. Das entspricht knapp 1/4 der bisherigen Förderung in 2025 und mehr als 1/3 in 2026. Die im letzten Haushalt erfolgte Aufstockung war notwendig, um gestiegene Anforderungen in Beteiligungsverfahren, rechtlicher Begleitung z. B. beim EE-Ausbau und Inflation auszugleichen. Finanzierungslücke durch Entnahme aus der Rücklage (Einzelplan 20) decken.
- Haus der Natur und Förderverein institutionell absichern als zentrale Infrastruktur für alle Verbände. Die anerkannten Umweltverbände übernehmen zentrale zivilgesellschaftliche Aufgaben: Umweltbildung, Jugendförderung, Beteiligung in Planungsprozessen und demokratische Teilhabe – insbesondere im ländlichen Raum.
- Arbeitsstellen sichern und FÖJ- und ÖBFD-Stellen erhalten – Bildungs- und Nachwuchsarbeit nicht gefährden. Wegfall gefährdet Beteiligung an Verfahren, fachliche Qualität, Bildungsarbeit und demokratische Teilhabe.
- Ehrenamtliche Projekte wie „fLotte Brandenburg“ und Reparaturstationen für klimafreundliche Mobilität absichern.
Teilnehmende Organisationen u.a.:
BUND Brandenburg, NABU Brandenburg, Grüne Liga Brandenburg, Förderverein Haus der Natur, NaturFreunde Brandenburg, NAJU Brandenburg, BUJU Brandenburg, ANU Brandenburg, VCD Brandenburg, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Jugendforum Nachhaltigkeit, Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL), Naturfreundejugend Brandenburg